Komet C/2022 E3 (ZTF) – Die Elemente im Spektrum

Im Unterschied zu einem Atom, das durch angeregte Zustände der Elektronen in der Atomhülle verschiedene Energieniveaus produzieren kann, die man in Emission und in Absorption in den Spektren findet, bietet ein Molekül mehr Optionen.

Dies liegt daran, dass die Gesamtenergie eines Moleküls nicht nur vom Anregungszustand der Elektronen im Hüllenkollektiv abhängt, sondern dass auch die Schwingungszustände der gebundenen Atome zueinander (Vibration), wie auch die Rotation des gesamtem Moleküls mit dazu beitragen.

Diese drei Energiebeiträge liefern Abstände der diskreten Energieniveaus auf verschiedenen Skalen. Die größten Abstände ergeben sich durch die Energiestufen der Hüllenelektronen. Diese liegen bei einigen Elektonenvolt (eV) und im optischen Spektrum reichen diese vom Ultravioletten bis zum Infraroten. Die Vibrationszustände liegen enger, sie sind nur wenige 0.1 eV voneinander getrennt. Noch enger tummeln sich die Rotationszustände, die 100-mal dichter stehen. Ihr Abstand beträgt nur wenige meV, was bei Übergängen Mikrowellen-Photonen entspricht.

Alle Beiträge zusammen ergeben einen dichten Linienwald, so genannte Molekülbanden.

Spektrum des Kometen C/2022 E3 (ZTF) – Die vertikalen Linien dienen zur Identifikation der Moleküle und Atome, die für den jeweiligen Emissionsbeitrag bzw. die Absorption verantworlich sind.

Im Spektrum vom Komet C/2022 E3 sieht zeigen sie sich als „Swan-Banden“. Erstmal nachgewiesen wurde sie durch den schottischen Physiker William Swan in den 1850er Jahren bei der Untersuchung der Spektren von Kohlenwasserstoffen. Dass es sich um das zweiatomige Kohlenstoffmolekül (C2) handelte, wurde erst 1927 belegt. Das blaue Leuchten des Flammenansatzes einer brennenden Kerze geht übrigens auch auf C2-Banden zurück. Im Kometenspektrum tritt dies nicht deutlich hervor, da dominieren die C2-Banden im grünen Spektralbereich.

Die hellste Linien des Spektrum produziert das CH-Molekül bei etwa 387 nm in Form einer Doppellinie. Die auffällige grüne Swan-Bande, deren langwellige Kante bei 516 nm liegt, ist nur ein Drittel so stark.

Es gibt einzelne Emissionslinien im Spektrum, deren Spitze die der Swan-Banden überragen. Auffällig ist die [OI]-Linie bei 630 nm im Roten. Diese erscheint bei mir als eine einzelne Linie. Höher auflösende Spektrographen, liefern hier zwei, eng beieinander stehende Linien. Beide gehen auf die verbotene Linie des einfach ionisierten Sauerstoffs zurück – genaugenommen stecken zwei unterschiedliche [OI]-Lichtquellen: Einmal das Gas aus der Erdatmosphäre und einmal das Gas in der Kometenkoma.

Der Mini-Wellenlängenunterschied dieser zwei [OI]-Linien misst umgerechnet nur wenige 10 km/s und entsteht durch die radiale Geschwindigkeitskomponente der Kometenbahn. Schaut man genau hin, so ist die [OI]-Linie relativ zur Ruhewellenlänge, die in der Abbildung eingezeichnet ist, etwas rotverschoben. Daraus kann man folgern, dass sich der Komet ZTF zum Zeitpunkt der Aufnahme des Spektrums, also Ende Januar 2023, von uns entfernt hat. Hätte ich sein Spektrum früher aufgenommen, als er sich relativ betrachtet, auf uns zubewegte, so wäre die [OI]-Kometenlinie auf der kurzwelligen Seite der [OI]-Erdatmosphären-Linie nachweisbar gewesen.

Spektrum des Kometen C/2022 E3 (ZTK) – Liniendetails mit Spektralfarben im Hintergrund.

Und hier noch zwei Vergrößerungen des oben gezeigten Spektrum. Einmal der Bereich der grünen Swan-Bande und einmal die Umgebung der [OI]-Linie. Der gesamte Linienwald des Bandenspektrums ist hier nicht im Detail aufgelöst, man erkennt aber gut, dass die vielen C2-Linien beim kürzeren Wellenlängen entstehen und ihre Intensität durch Überlagerungen zu größeren Wellenlängen hin zunimmt, so dass sich ein Anstieg von links nach rechts im Profil ergibt. Den langwelligen Abschluss dieser Swan-Bande bildet eine Intensitätsspitze bei etwa 516 nm.

Neben den C2-Banden ist für einige Leser vielleicht der Akspekt neu, dass man in Kometen auch C3-Moleküle nachweist. Mit diesem „Trikohlenstoff“ sind noch Fragen zu seiner Entstehung verbunden.

Man geht heute davon aus, dass diese mehratomigen Moleküle auf „Elternmoleküle“ zurückgehen, die von der Kometenoberfläche sublimieren – also beim Übergang fest > gasförmig gebildet werden.

Bei C2, also beim Dikohlenstoff, ist C2H2 (Ethin) das Elternmolekül. Bei C3 gibt es vermutlich kein solches, sondern das dritte C-Atom kommt bei Photo-Dissoziationsprozessen, über C-Radikale, zum Verbund dazu. Hierbei wirken viele Kohlenwasserstoff-Verbindungen mit, die auch Stickstoff enthalten, der ja, wie man an der violetten CN-Doppellinien sieht, eine wichtige Rolle im Elementencocktail des Kometen spielt. In den Fachartikeln findet man als Mitwirkende etwa C4H2 (Diacetylen), CH2C2H2 (Allene), CH3C2H (Propin), C2H4 (Ethen) und HC3N (Cyanoacetylen).

Trotz dieser Spezialitäten im Spektrum darf man nicht vergessen, dass der Hauptbestandteil von Kometen, und damit auch von C/2022 E3, wenn man von Staub absieht, Eis ist. Dieses Eis besteht vornehmlich aus H2O, gefolgt von CO und CO2, wie auch aus gefrorenem Methan CH4 und Ammoniak NH3. Wenn ein Komet sich der Sonne nähert, wirkt auf den Kometen mehr und mehr der Strahlungsdruck der Sonne. Der Sonnenwind wirkt zum einen mechanisch (Druck) und über seine geladenen Teilchen auch elektrisch (Ladungsaustausch Wind/Koma) und chemisch (Moleküle).

Das Eis sublimiert und es zeigt sich die Koma des Kometen – und als seine weithin sichtbaren Marker auch sein gelblicher Staub- und sein bläulicher Ionenschweif.

Es gilt mittlerweile als sicher, dass es sich bei Kometen um sehr alte Objekte handelt. Diese Eiskrümel entstanden vor etwa 5 Milliarden Jahren, mit der Entstehung unseres Sonnensystems, also noch bevor der Protostern-Vorläufer der Sonne sich bildete und weit bevor die Wasserstoff-Fusion in der jungen Sonne zündete. Somit kann man das Material, das wir mit unseren Spektrografen im Licht der Kometen nachweisen, mit Fug und Recht als „prä-solar“ bezeichnen.

Nachtrag, 2.12.2023

Die H- und K-Linien, die auf Fraunhofer zurückgehen, sind auch im ZTK-Spektrum in blauen Spektralbereich nachzuweisen. Es sind dies die zwei Absorptionslinien, die bei 393 und 397 nm zu sehen sind. Links davon stehen die zwei CN-Linien, über die oben berichtet wurde. Der grüne Verlauf ist das Roh-Spektrum des Kometen, das blaue Profil zeigt das Spektrum, bei dem das Kontinuum entfernt wurde.

4 Kommentare

  1. die beiden Linien in Absorption im Bereich 390-400 nm ; sind das Ca II Linien ?; wobei mir nicht klar ist, wie diese hier zustande kommen.

    • Hallo Franz,

      nein, das sind keine CaII-Linien. Es handelt sich um Linien, die auf das CN-Molekül zurückgehen. Dieses leuchtet sehr prominent in dem blauen Spektralbereich.

  2. CN sind die beiden starken Emissionsbanden um ca. 388 nm; Das ist klar.
    Ich meine jedoch die beiden breiteren Strukturen im Bereich 390-400nm , die mir wie „Absorptions-Linien“ vorkommen? Das ist mir unklar.

    • Hallo Frank,

      bei diesen beiden Linien handelt es sich um die bekannte Calcium-Linien, die bei Fraunhofer als H und K-Linien gelistet sind.

      Ich hänge oben einmal ein Ausschnitt des Spektrums an.

      Schöne Grüsse,
      Michael

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