Ein genauer Blick auf das Spektrum von NGC 1275

Im ersten Teil wurde das Spektrum beschrieben, das ich von NGC 1275 aufgenommen habe.

Dort fielen die Emissionslinien auf, die ihren Ursprung im Zentrum der aktiven Galaxie haben. Das Zentrum der Galaxie ist ein ausgedehnter Bereich, der größer ist als die Sterne in der Umgebung. Wenn man den Spalt über den Kern legt, erstellt man daher auch ein Spektrum der Kernumgebung. Die Voraussetzung dafür ist, dass diese Umgebung hell genug ist, um ihren spektralen Fingerabdruck zu hinterlassen.

Die folgende Abbildung zeigt NGC 1275, wie man sie im Aladin-Viewer sieht und stellt auch die Winkelgrößen dar. Das Bildfeld ist 3′ breit und die blaue Skala unten links entspricht 30 Bogensekunden, also 0,5 Bogenminuten. In der Projektion entspricht dies in der Entfernung von NGC 1275 einer Strecke von etwa 35.000 Lichtjahren. Links / Östlich des Zentrums habe ich einen Pfeil eingetragen, der 1 Bogenminute misst, und somit 70.000 Lichtjahre abdeckt.

Quelle: Aladin-Viewer http://aladin.u-strasbg.fr

Die bläulichen Fasern im Umfeld des hellen Kerns, die man etwa unterhalb des Pfeils sieht, reichen in etwa 1 Bogenminute weit. Die Astronomen gehen davon aus, dass es sich hier um Gasfilamente handelt, die dynamisch mit dem Kern in Verbindung stehen. Also etwa durch ein- oder ausströmende Materie entstehen. Dies sieht man als Indikator von Verschmelzungsprozessen – entweder als deren direktes Ergebnis, weil es sich hier um Relikte einer zerrissenen Galaxie handelt, oder aber als ein indirektes, weil aus dem Zentrum strömendes Gas und die mittransportierten Stoßwellen, also die mechanische Energie, wie auch begleitende Magnetfelder, die Filamente ausgeformt haben. Dieser großskalige Gasverlust von Galaxien ist vermutlich auch keine Ausnahme, sondern tritt auch bei normalen Galaxien auf. Dieser Verlust führt dazu, dass Sternentstehung in Galaxien zeitlich begrenzt ist, und in Summe die Umwandlung von Gas in Sternen fast schon ineffizient erscheinen lässt. Oder man sieht dies anders – Galaxien wie die Milchstraße mit ihren Sternentstehungsgebieten in den Spiralarmen sind eine schöne Ausnahme.

Diese Effizienz der Sternumwandlung kann man mit 20 % angeben, d.h. das meiste Material geht verloren. Untersucht man die Halo-Massen von Galaxien, also das Gas, das nicht zentral oder in Scheiben zu finden ist, so stellt man fest, dass diese Effizienz bei Halomassen, die besonders klein und auch zu großen Halomassen hin, stark abnimmt. Bei Zwerggalaxien (sie haben die geringsten Halomassen) wird weniger als 1 % des verfügbaren Gases in Sterne umgewandelt.

Aktuell herrscht bei den Forschern die Meinung vor, dass die Ausflüsse, die man in Galaxien beobachtet, am besten diese Ineffizienz der Sternentstehung erklären können. Dabei sind die Zentren der Galaxien, mit den dort vermuteten supermassiven Schwarzen Löchern, die stärksten Motoren dieser Ausflüsse. Sie transportieren das Gas zum einen weg von den Orten, wo Sterne entstehen (könnten) oder heizen das Gas dabei so stark auf, dass seine Dichte abnimmt. Es bedarf nun langandauernder Kühlprozesse bevor erst wieder daraus Sterne entstehen können. Die zugehörigen Modelle sind komplex, da jede Gasausdehnung auch Folgeprozesse in Gang setzt, die wieder auf das Gas wirken. Bei diesen Feedback-Prozessen spielt auch die Dunkle Materie in den Halos ein Rolle, wie auch der Ansatz, dass diese mit sich selbst wechselwirken kann.

Auch wenn viele Fragezeichen noch bestehen – es ist klar, dass die Gasverluste in Galaxien, die galaktischen Winde, in anschaulicher Form erklären, warum die Sternentstehung bevorzugt in den Galaxien vom Milchstraßen-Typ von statten geht.

Bei NGC 1275 kann man schon mit den einfachen Mitteln eines Amateurs diese Ausflüsse nachweisen. Die Abbildung zeigt das rohe Spektrum im Bereich der [NII]-H-Alpha-Linien. Das feine, helle Band, das horizontal verläuft, entstammt dem Galaxienkern von NGC 1275. Legt man das Binning über dieses Band, so ergibt sich das im ersten Teil gezeigte und analysierte Spektralprofil.

Schaut man genau hin, so ist erkennt man oberhalb und unterhalb des hellen Bandes Aufhellungen, die an den zwei hellen Punkten im Band ansetzten. Diese zwei hellen Punkte gehören zu den intensiven H-Alpha (links) und [NII]-Emissionslinien.

Dieses „Aufhellungen“ besitzen Helligkeiten von etwa 16 mag – so richtig hell sind sie also nicht.

Mir fiel bereits bei Betrachten der FITS-Daten am Beobachtungsabend auf, dass diese Aufhellungen nicht exakt vertikal sind. Die roten Marker zeigen dies – am auffälligsten ist die Verschiebung unterhalb des Bandes zu sehen, hier erscheinen die zwei Aufhellungen nach links verschoben.

Wenn man nun im Spektrum die Binning-Zone von oben nach unten – in kleinen Schritten – verlagert, kann man so die Kern-Umgebung „abtasten“. Man stapelt auf diese Art und Weise Spektralprofile übereinander und erhält ein ortsaufgelöstes Spektralbild. Da ist natürlich nur mit einer bescheidenen Auflösung verbunden, aber man kann die Verschiebung der Aufhellungen in den Sequenz-Profilen gut erkennen.

Das Bild zeigt den Plot der aufeinander folgenden Spektralprofile. Die Sequenznummer 4 / 5 entspricht der Lage des hellsten Spektralprofils von NGC 1275.

Die Sequenznummer 2 zeigt den Versatz nach links. Die Aufhellungen sind hier zu kurzen Wellenlängen hin verschoben. Der Plot erlaubt auch die Abschätzung der Verschiebung, und somit die Messung der relativen Geschwindigkeitsänderung des H-Alpha-leuchtenden Gases. Diese liegt bei etwa 0,5 nm und entspricht damit einer Geschwindigkeit von 230 km/s.

Das Gas, das in der Sequenz #2 leuchtet, bewegt sich, relativ zum Kern von NGC 1275, also zur Sequenz #4, auf uns zu. Dies verweist auf einen möglichen Ausfluss, so man annimmt, das dieses Gas uns näher ist als der Kern. Es könnte auch sein, dass das Gasfilament hinter dem Kern liegt und gerade in diesen hineinläuft – auch dies würden wir als eine Blauverschiebung zu kleineren Wellenlängen hin sehen.

Die Position des Gasfilaments kann man auf dem Aladin-Viewer-Bild erkennen. Das Filament liegt links, etwa 22′ vom Kern entfernt (ca. 25.000 Lichtjahre) und leuchtet in Orange über dem eingezeichneten Pfeil. Man muss hier umdenken – auf dem DSS-Foto im Aladin-Viewer ist das Gasfilaments links von Zentrum. Der Spalt des Spektrografen lag horizontal und überdeckte das Gasfilament und das Zentrum von NGC 1275. Das im Bild links liegende Gasfilament liefert im Spalt-Spektrum (mit den roten Markern) die Profil-Sequenz #2, die unterhalb der Kern-Sequenz #4 liegt. Die Sequenzen #5, #6, #7, #8 liegen auf dem Aladin-Viewer-Foto rechts vom Kern. Die Lage der hellen Linien entspricht in etwa der von Sequenz #4, hier ist also keine Relativgeschwindigkeit sichtbar, d.h. hier leuchtet auch das Gas, aber es besitzt keine radiale Geschwindigkeit. Wenn es sich bewegt, dann transversal.

Zum Abschluss zeige ich noch den Sequenzplot der einen größeren Wellenlängenbereich umfasst. Die Sequenz #0 ist die der Kalibrationslinien, stammt also nicht von der Galaxie.

Hier sieht man auch wieder die eben betrachtete H-Alpha-[NII]-Region (links) und weiter rechts die zwei [SII]-Linien. Auch hier erahnt man eine Verschiebung zu Sequenz #2 hin. Es ist bei den Plots zu beachten, dass die Skalierung pro Profil erfolgt. Daher erscheinen die Intensitäten der Sequenzen ober- und unterhalb der Kern-Sequenz im Plot zwar gleich hell wie die in der Kern-Sequenz #4, sind aber absolut betrachtet schwächer. Dieser Effekt führt dazu, dass die Sequenz #4 einen dunklen Hintergrund zu haben scheint.

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